WOMEN WHO DAERE #14 | ÜBER MONEY MINDSET MIT ANISSA BRINKHOFF
ÜBER DIE EINSTELLUNG ZU GELD MIT ANISSA BRINKHOFF, EIN BLICK IN JANINAS KLEIDERSCHRANK MIT “THINGS I DIDN’T BUY THIS WEEK” UND EIN RECAP DES LETZTEN DAERE LUNCH CLUBS.
Honest Talk – erst im Juli diesen Jahres habe ich begonnen, in einen ETF Sparplan zu investieren. Seit Jahren schleiche ich um das Thema herum. Ich habe die Themen weibliche Altersarmut, finanzielle Unabhängigkeit (vor allem als Mama) und so weiter auf dem Schirm, wie vermutlich viele Frauen – trotzdem habe ich es nie geschafft, einfach mal loszulegen.
So richtig erklären kann ich es mir nicht, denn Spoiler: es ist wirklich keine rocket science. Aber aufgewachsen mit Großeltern, die ihr schmales Spargeld bei der örtlichen Bank hatten oder gar keines, und mit Eltern, die als Solo-Selbständige immer schwankendes Einkommen hatten und immer dann gespart haben, wenn es eben mal ging, waren Aktien, ETFs und andere Finanzprodukte zuhause einfach kein Thema. Dennoch denke ich jetzt manchmal, dass es natürlich toll gewesen wäre, früher losgelegt zu haben. Denn ja, auch mit wenig Geld monatlich lohnt es sich, Stichwort Zinseszins.
Vielleicht ist heute der Tag, an dem ihr loslegt, ich bin gespannt!
X Janina
In meiner Elternzeit habe ich viele Gespräche mit anderen Müttern dazu geführt, wie sie als Familie das Finanzielle während dieser Zeit regeln. Denn während mein Partner und ich uns Gehalt und Elterngeld 50:50 geteilt haben, haben viele nicht einmal das Gespräch geführt. Mussten teilweise sogar nach Geld für den Friseurbesuch fragen oder vom Ersparten leben, während der Vater zero finanzielle Einschränkungen erfahren hat.
Auch mit Anissa habe ich mich darüber unterhalten, denn auch sie hat letztes Jahr ein Mädchen zur Welt gebracht und kam als selbstständige Journalistin gar nicht drum herum, sich auch über das unangenehme Thema Geld Gedanken zu machen.
Kennengelernt habe ich Anissa Brinkhoff als Kollegin, sie war damals Finanz-Redakteurin bei der Marke BRIGITTE und ich im B2B Marketing. Und ungefähr so lang schieben wir dieses Interview nun auch schon, denn das Thema Geld hat bei mir immer wieder Up and Downs: mal setze ich mich intensiv damit auseinander und dann wiederum ignoriere ich es. Und wenn mir eines in dem Zusammenhang aufgefallen ist, dann dass es mir definitiv besser geht, wenn ich das Gefühl habe meine Finanzen einigermaßen im Griff zu haben, im richtigen Mindset zu sein.
Wie geht es euch damit? Wie ist eure Einstellung zu Geld? Ich freu mich auf euer Feedback in den Comments und wünsche euch viel Freude mit unserem Gespräch. xx Kinga
D A E R E : WIE BIST DU ZUM THEMA GELD GEKOMMEN? KONNTEST DU SCHON IMMER GUT MIT ZAHLEN UMGEHEN?
A N I S S A : Lustigerweise bin ich Finanzjournalistin, gerade weil ich von dem Thema sehr lange gar keine Ahnung hatte. Vor knapp 6 Jahren war ich noch festangestellt als Redakteurin bei der BRIGITTE und meine Kolleginnen fingen damals an, in ETFs und Aktien zu investieren und im Büro sehr häufig darüber zu diskutieren. In diesen Momenten habe ich mich immer hinter meinem Computer versteckt, weil es mir auch unangenehm war, dass ich nicht mal wusste, was ein ETF ist.
Dabei ist mir aber auch klar geworden, dass ich nicht die Einzige bin, die einfach gar keine Finanzbildung hat – und habe der Chefredaktion eine Idee gepitcht: ich starte einen Finanzpodcast, bei dem man mich als Anfängerin begleiten kann, wie ich mich in das Thema einarbeite und wirklich jede noch so dumme Frage an Interviewpartner:innen stelle.
Der Podcast wurde richtig erfolgreich und ich habe so eine große Leidenschaft für die Themen Finanzbildung und Female Finance entwickelt, dass ich meine Festanstellung gekündigt habe und seitdem selbstständig dazu arbeite. Gut mit Geld umgehen zu können, ist eben nicht das gleiche, wie mit Zahlen gut umgehen zu können – sondern hat viel mehr mit Lebensplanung, Finanzbildung, fairer Verteilung von Arbeit und Care-Arbeit sowie Vertrauen in die eigenen Entscheidungen zu tun.
D A E R E : WAS VERSTEHT MAN UNTER DEM BEGRIFF MONEY MINDSET? WELCHE ROLLE SPIELT DABEI UNSERE HERKUNFT?
A N I S S A : Ich finde den Begriff inzwischen relativ schwierig, weil sich so viele Bedeutungen darunter sammeln. Unter Money Mindset verkaufen die einen teure Kurse auf Instagram, in denen man lernen soll, Geld herbei zu manifestieren. Wieder andere schreiben unter Money Mindset darüber, wie schwierig es Kinder aus Arbeiter:innen-Familien oder mit Armutserfahrung ihr Leben lang haben, Jobs mit hohem Einkommen zu erreichen.
Wenn ich über Money Mindset spreche ordne ich deshalb immer ein, dass es für mich eine Art Oberbegriff ist, unter dem ich alles sammle, was mein Verhältnis zu Geld beeinflusst: die finanzielle Situation in der ich aufgewachsen bin, wie bei mir in der Familie über Geld gesprochen wurde, ob dabei ein Unterschied zwischen Söhnen und Töchtern gemacht wurde, ob ich Finanzbildung in der Schule mitbekommen haben, wann ich das erste mal selbst Geld verdient habe, ob ich vielleicht krasse Erfahrungen wie Schulden gemacht habe und und und …
D A E R E : GLAUBENSSÄTZE SCHEINEN DER URSPRUNG VIELEN ÜBELS ZU SEIN. WAS VERBIRGT SICH BEIM THEMA GELD DAHINTER? WIE SCHAFFEN WIR ES GLAUBENSSÄTZE ZU ÜBERWINDEN?
A N I S S A : Glaubenssätze entstehen oft in unserer Kindheit, weil wir in dieser Zeit sehr auf externe Orientierung angewiesen sind und deshalb oft übernehmen, was unsere Eltern und unser Umfeld sagen oder sich verhalten. Wenn unsere Eltern gesagt haben, dass die Welt ein gefährlicher Ort ist, dann werden wir vielleicht ängstlich durch das Leben gehen. Wenn unsere Eltern gesagt haben „Geiz geil ist“ und “Die Börse ist nur was für Reiche”, dann werden wir vielleicht auch als Erwachsene eine schwierige bis ablehnende Einstellung gegenüber Geld oder der Börse haben.
Andere Glaubenssätze entstehen durch Erfahrungen. Wenn wir erlebt haben, dass sich jemand, der uns wichtig ist, während seiner Karriere negativ verändert hat, ist vielleicht der Glaubenssatz „Geld verdirbt den Charakter“ entstanden.
Manchmal reicht auch ein einfacher Satz, um unser Leben nachhaltig zu prägen. Ich habe als Kind zum Beispiel gehört: „Mathe ist nichts für Mädchen”. Solche Sätze können einen noch Jahrzehnte später beeinflussen, weil man immer die Stimme dieser Autorität im Hinterkopf hat, die einem diesen Satz gesagt hat.
Überwinden kann man diese Glaubenssätze erst, wenn man sie für sich sammelt und erkennt und nach und nach erarbeitet, woher sie stammen und in welchen Momenten sie immer wieder hochkommen. Und irgendwann steht man im Supermarktregal und will wieder zur günstigen Hausmarke greifen, obwohl die Lieblingspasta eine teurere ist und denkt sich: “Ach spannend, gerade höre ich wieder die “Geiz ist Geil” Stimme im Hinterkopf, aber ich kaufe mir meine Lieblingspasta weil ich es mir leisten kann und weil ich sie einfach viel leckerer finde” – und schmunzelt in diesem Moment etwas über sich selbst.
PHOTO CREDIT: SARAH BUTH
D A E R E : EIN GLAUBENSSATZ DEN WIR ALLE KENNEN: “ÜBER GELD SPRICHT MAN NICHT”. UND TATSÄCHLICH ERLEBE ICH ES NOCH HÄUFIG, FÜR VIELE VON UNS FÜHLT SICH DAS REDEN ÜBER GELD EINFACH NICHT GUT AN. FRAGEN DAZU WIRKEN SCHNELL INDISKRET. DAS SPRECHEN DARÜBER PROLLIG. ES GEHÖRT SICH SCHLICHTWEG NICHT, WAS NATÜRLICH DAZU FÜHRT, DASS WIR UNS ZU WENIG DARÜBER AUSTAUSCHEN, WAS ANDERE VERDIENEN, WIE VIEL SIE SPAREN ODER ANLEGEN. WIE KÖNNEN WIR DAS ÄNDERN?
A N I S S A : Das ist ja tatsächlich etwas, das sowohl reiche Menschen kennen als auch die, die von Armut betroffen sind. Und es zeigt wieder, wie viel mitschwingt, wenn wir über Geld reden – erst recht über das Geld, was wir besitzen oder das, was uns fehlt.
Grundsätzlich lösen wir dieses Tabuthema nur auf, wenn wir das Tabu brechen. Und da finde ich es für den Anfang ganz praktisch, erstmal anzusprechen, dass man diese Gespräche gerne führen würde – aber irgendwie gar nicht weiss, wie das geht. So kann man ja auch super das erste Geld-Gespräch mit Partner:in oder Freund:in starten: “Du, ich würde so gerne mal mit dir über Geld reden, weil ich dazu so viele Fragen habe. Aber irgendwie weiss ich weder wo ich anfangen soll, noch wie man das so richtig macht …”.
Und im beruflichen Kontext kann man sich ja auch Expert:innen dazuholen: Vielleicht kann euer Unternehmen mal einen Panel-Talk oder einen Workshop zum Thema Frauen & Geld organisieren und so einen Anstoß geben, dass sich Kolleginnen danach offener austauschen?
D A E R E : WARUM GLAUBEN WIR SO OFT, DASS GELD “HART VERDIENT” SEIN MUSS? ICH HABE DAS GEFÜHL, DASS UNS DAS DARAN HINDERT FÜR DINGE, DIE WIR GERN TUN, Z.B. HERZENSPROJEKTE, ANGEMESSEN GELD ZU VERLANGEN.
A N I S S A: Das ist auch eine typisch deutsche Einstellung, beziehungsweise sehr preussisch und christlich. Diese Teile unserer Gesellschaft haben uns jahrhundertelang beigebracht, dass wir uns erst dann ausruhen dürfen, nachdem die Arbeit getan wurde oder nach einem harten Leben auf der Erde die Erlösung auf uns im Himmel wartet. Dazu haben wir ja ein skeptisches Verhältnis zu Reichtum, das aufgrund der Nazi-Vergangenheiten großer deutscher Unternehmen und deren Besitzer:innen-Familien teilweise auch angemessen ist. Aber Reichtum feiern, wie es Amerikaner:innen tun – das fällt uns schwer.
Mir haben hier weibliche Vorbilder geholfen, die ganz klar ihren finanziellen Wert kennen und kommunizieren. Seitdem versuche ich mir klarzumachen, dass mein Tag nur 24 Stunden hat, ich aber eine gewisse Summe Geld jeden Monat verdienen muss – also erwarte ich eine faire Vergütung oder erkläre im Gegenzug, dass ein “wir vertaggen dich aber auch” meine Miete nicht zahlt. Wieder andersherum mache ich ehrenamtliche Jobs, die klar als solche gekennzeichnet sind, wie Vorträge in Schulen.
D A E R E : ACHTSAMKEIT IST EIN GROßER TREND. WARUM FÄLLT ES UNS AUF DER EINEN SEITE SCHWER IM HIER UND JETZT ZU SEIN, AUF DER ANDEREN SEITE WIEDERUM EBENSO SCHWER FÜR DIE ZUKUNFT GELD ANZULEGEN.
A N I S S A : Da scheinen für mich zu viele Erwartungen aufeinander zu prallen. Denn wer von uns verbindet mit Geld schon wirklich Achtsamkeit? Das ist für uns ja Yoga, eine Massage, Meditation – also etwas, das sich in diesem Moment, indem wir es praktizieren, gut anfühlt. Und dann im Idealfall auch langfristig eine gute Auswirkung auf unser Leben hat.
Wenn wir uns mit Finanzthemen beschäftigen müssen, bereitet das einigen von uns schon tagelang vorher Bauchschmerzen (Hi, Steuererklärung), in dem Moment in dem wir uns damit auseinandersetzen, sind wir überfordert und die Belohnung für einen ETF-Sparplan für die Rente findet erst in 30 Jahren statt – das kann man wirklich schwer antizipieren. Deshalb finde ich es zum einen wichtig, dass man durch Wissenserwerb und dem Auseinandersetzen mit dem eigenen Geld-Verhältnis schafft, dass nicht jeder Blick aufs Konto oder jede Budget-Planung mit Bauchschmerzen verbunden ist. Und andererseits auch anerkennt, dass Finanzplanung ein Teil der Lebensplanung ist, um die man nicht drumherum kommt. Wie schnell ist man enttäuscht, wenn man erwartet, dass die Altersvorsorge Spaß macht? Reicht es dagegen nicht, wenn wir erleichtert sind, sobald wir es hinter uns haben? Für mich ist es ok, wenn die Altersvorsorge eine der typischen notwendigen Erwachsenen-To Dos bleibt. Ich erwarte von mir nicht, dass ich dabei Spaß empfinde – habe ich bei ärztlichen Vorsorgeuntersuchungen ja auch nicht.
D A E R E : WIE SCHAFFT MAN ES, NICHT IMMER MEHR VERDIENEN ZU WOLLEN? GANZ NACH DEM MOTTO “REMEMBER WHEN YOU WANTED WHAT YOU CURRENTLY HAVE”?
A N I S S A : Erstmal finde ich überhaupt nichts falsch daran, immer mehr zu wollen. Die Lebensumstände ändern sich ja auch ständig und da ist es ok, mehr zu wollen, weil man mehr braucht. Gleichzeitig finde ich dieses “höher, schneller, weiter” auch sehr anstrengend und habe beispielsweise für dieses Jahr meine eigenen finanziellen Ziele bewusst niedrig gehalten, weil es eben das erste Lebensjahr meines Babys ist und ich mich auf sie, statt meine Karriere fokussieren will.
Wenn aber der Antrieb nur aus dem Vergleichen mit anderen stammt, (Vielen Dank, Social Media) kann man das ja überdenken. Vergleiche sind super, wenn ich dadurch erfahre, dass ich viel höhere Honorare für meine Leistungen nehmen kann – aber ich bin eben auch nicht Verena Pausder. Ich habe sie gerne als Vorbild, aber eben meine eigenen Maßstäbe. Und aktuell sind die, mehr Geld für weniger Arbeit zu bekommen.
D A E R E : IST UNSERE EINSTELLUNG ZUM GELD NUR FAMILIÄR ODER AUCH GESELLSCHAFTLICH BEDINGT? WIE SIEHT ES IN ANDEREN LÄNDERN AUS? WAS KÖNNEN WIR UNS ABGUCKEN?
A N I S S A : Es gibt einen riesigen gesellschaftlichen Einfluss auf unser Verhältnis zu Geld – insbesondere auf uns Frauen. Denn wir leben ja immer noch in einer patriarchalen Gesellschaft, in der Frauen von zu viel Macht ferngehalten werden und viel Geld bedeutet eben viel Macht. Also existieren weiterhin Rollenbilder, die die Frau Zuhause mit unbezahlter Care-Arbeit sehen, anstatt gut sichtbar draußen in der Welt, in der sie viel Geld verdienen könnten.
Spannend finde ich auch den Einfluss unserer (rein männlichen) Finanzpolitiker. Als Olaf Scholz noch Finanzminister war, hat er in einem Interview erzählt, dass er sein Geld auf dem Girokonto liegen lässt. Auch wenn ich nicht glaube, dass das der Wahrheit entspricht, zeigt es doch, wie fernab der Realität so eine Aussage ist: Zum einen versteht er nicht, dass er als Finanzminister auch eine Vorbildfunktion hat und es einen Einfluss hat, was er erzählt. Und zum anderen muss man es sich auch leisten können, sein Geld auf dem Girokonto versauern zu lassen. Er sagt also indirekt: Selbst als Finanzminister investiere ich nicht an der Börse und zum anderen habe ich es nicht nötig, weil ich als Beamter eine sichere Pension habe – ganz im Gegensatz zu den allermeisten Deutschen.
In den USA dagegen wird es als patriotisch gefeiert, über die Börse in die eigene Wirtschaft zu investieren. Und darüber sprechen auch Unternehmer:innen und Politiker:innen ganz offen. Auch andere finanzielle Tabus, wie zum Beispiel die Frage nach dem Gehalt, bremsen Finanzgespräche in den USA nicht aus. Was ich besonders toll finde: Dort gibt es sogar “Financial Therapists", die sich psychologisch fundierter mit Finanzproblemen beschäftigen. Weil anerkannt wurde, dass beispielsweise eine Kindheit in Armut einen Menschen sein Leben lang beeinflussen wird – und man diesen Einfluss in einer Gesprächstherapie wiederum verändern kann.
D A E R E : MUTTERSCHAFT VERÄNDERT OFT UNSER VERHÄLTNIS ZU KARRIERE UND GELD. WELCHE FOLGEN HAT DAS? WIE STEHST DU ZU DEM BEGRIFF CARE-ARBEIT?
A N I S S A : Meine Tochter ist knapp ein Jahr alt und die letzten 12 Monate haben viel bei mir verändert. Mein Freund und ich teilen uns die Elternzeit auf, ich habe die ersten 6 Monate gemacht und er macht aktuell die zweiten 6 Monate. Als Selbstständige habe ich natürlich auch während der Elternzeit schon vorgearbeitet und zumindest meine Social Media Kanäle am Laufen gehalten. Was mich dann aber verwundert hat, war, dass ich nach meiner Elternzeit gar nicht wieder Vollzeit arbeiten wollte. Ich habe meine Tochter wirklich vermisst, wenn ich den ganzen Tag unterwegs war. Ich stelle aktuell meine Karriere bewusst hinten an – auch weil ich weiss, dass es für alles seine Zeit gibt. Wenn meine Tochter älter wird und in die Kita kommt, haben wir wieder mehr Flexibilität und können mehr Zeit in Lohnarbeit stecken. Aber dieses Austarieren zwischen Care- und Lohnarbeit wird uns ja ein Leben lang begleiten und das finde ich spannend, weil ich Veränderungen eh mag.
D A E R E : WAS RÄTST DU FRAUEN MIT KINDERN IN EINER BEZIEHUNG? UND WAS ALLEINERZIEHENDEN?
A N I S S A : Man versteht die Belastung von Care-Arbeit nur, wenn man sie für einen ausreichend langen Zeitraum selbst gestemmt hat. Und deshalb bin ich absolut dafür, dass Väter eine gewisse Zeit alleine mit ihren Kinder verbringen und nicht nur Elternzeit gemeinsam mit der Mutter machen. Wenn beide Elternteile wissen, wie hart Care-Arbeit ist, lässt sich auch einfacher über einen finanziellen Ausgleich diskutieren, wenn eine:r aus der Beziehung weniger Lohnarbeit macht. Denn dazu rate ich auf jeden Fall. Guckt euch nicht nur an, wie viel ihr beide in einer Beziehung verdient, sondern auch, wie viel ihr in die Rente einzahlt und in die private Altersvorsorge. Denn aus einer Teilzeitstelle wird auch eine Teilzeitrente – und davon kann niemand sein Leben finanzieren.
Was Alleinerziehende dagegen jeden Tag stemmen, finde ich unglaublich. Eigentlich müsste unsere Gesellschaft diese Frauen (in 9 von 10 Fällen leben Kinder bei ihren Müttern) mit Betreuungsgutscheinen und Steuerbefreiungen überschütten, faktisch passiert ja das Gegenteil. Ich finds deshalb sehr schwierig, hier auch noch zusätzliche Tipps zu verteilen. Wenn es allerdings Großeltern gibt, würde ich diese bitten, sich für die Zukunft der Kinder einzusetzen und einen Sparplan einzurichten. Das nimmt nicht nur aktuell hohen Druck von der Mutter, sondern hilft auch dann, wenn Studium oder Ausbildung bezuschusst werden müssen. Und gerade bei ETF-Sparplänen können ja wirklich relevante Summen entstehen, wenn man jeden Monat über 18 Jahre selbst nur eine kleine Summe investiert.
D A E R E : ICH ERINNERE MICH AN EINE GESCHICHTE, BEI DER EINE FREUNDIN MIT DEM ERSTEN KIND EINE GEHALTSERHÖHUNG VERHANDELN WOLLTE. ABGESPEIST WURDE SIE DAMALS MIT DEN WORTEN “DAS PASST GAR NICHT ZU DIR, DU HAST DOCH ANDERE WERTE UND DINGE, DIE DIR WICHTIGER SIND.” BIS HEUTE SCHOCKIERT MICH DIESE SZENE. WÄHREND DAS GEHALT BEI MÄNNERN MIT DEM VATER-SEIN STEIGT UND MÄNNER ALS “FAMILIEN-VERSORGER” ÜBLICHERWEISE DIREKT EINE GEHALTSERHÖHUNG VERHANDELN, SIND FRAUEN OFT DIEJENIGEN, BEI DENEN KARRIERE UND GEHALT MIT DEM MUTTERSEIN STAGNIEREN. HAST DU TIPPS, WIE MAN ES ALS FRAU SCHAFFT AUS DIESER FALLE HERAUSZUTRETEN?
A N I S S A : Puh, die Geschichte ist das beste Beispiel, wieso Frauen in Deutschland finanziell nicht annähernd Männern gleichgestellt sind. Und wieso Kinder für Frauen das Armutsrisiko drastisch erhöhen.
In solchen Situationen hilft es ja immer, das Problem beim Namen nennen zu können. Dafür braucht man aber das Wissen über Diskriminierungen und muss dann auch noch die Begriffe dafür kennen – und somit liegt die Bringschuld auch noch bei den Diskriminierten. Ich fände es dagegen absolut zeitgemäß, wenn solche Arten der finanziellen Diskriminierung in das Antidiskriminierungsgesetz aufgenommen würden. Und auf kurze Sicht sollten Führungskräfte verpflichtend geschult werden hinsichtlich ihrer eigenen Vorurteile, sodass solche Situationen weniger entstehen.
D A E R E : WAS SIND DIE DREI WICHTIGSTEN TIPPS FÜR FRAUEN, DIE BEGINNEN WOLLEN, SICH FINANZIELL FÜR’S ALTER GUT AUFZUSTELLEN?
A N I S S A : Bevor es an die Altersvorsorge geht, sollte man die eigene finanzielle Situation analysieren und einen Kassensturz machen, um einen Budgetplan aufzustellen. Wie hoch ist mein Einkommen jeden Monat? Wie hoch sind meine Ausgaben? Wo kann ich Geld sparen und wie hoch ist die Summe, die ich jeden Monat investieren kann?
Sobald man eine Summe hat, die man monatlich auf jeden Fall zur Seite legen kann, sollte man sich erstmal einen Notgroschen ansparen, das sind idealerweise 3 Monatsgehälter. Auf das Geld kann man dann zugreifen, wenn alles den Bach runtergeht. In den USA sagt man zum Notgroschen auch Fuck Off Money – weil man durch diese finanzielle Unabhängigkeit eben auch aus Jobs oder Beziehungen gehen kann, die einem nicht gut tun.
Im nächsten Schritt macht es Sinn, sich seine Rentenlücke zu berechnen. Wie hoch wird meine staatliche Rente sein, die ich mal bekommen werde? Und wie hoch dagegen ist die Summe, die ich dann für ein gutes Leben brauche? Wenn ich 2500 Euro pro Monat brauche, aber nur 1500 Euro Rente bekomme, habe ich eine Rentenlücke von 100 Euro – in jedem Monat, in jedem Jahr, das ich in Rente lebe. Da kommt schnell eine riesige Summe zusammen, die dann über private oder berufliche Altersvorsorge abgedeckt werden kann (wie das geht, steht unten in meinen Literaturtipps).
Der wichtigste Schritt zwischendrin: Sein eigenes Gehalt nachverhandeln. Denn das ist der größte Hebel, um mehr Geld sparen zu können.
D A E R E : WIE KANN MAN DIE ERSTEN STEPS ANGEHEN?
A N I S S A : Tracking-Apps für Konten ersetzen zum Glück inzwischen ja das Haushaltsbuch. Ich empfehle es wirklich, mal über eine App die eigenen Ausgaben kategorisieren zu lassen, um genau herauszufinden, wofür man wie viel Geld ausgibt und wo es Sparpotenzial gibt.
Finanzplanung begleitet einen ein Leben lang, deshalb finde ich es wichtig, die Weiterbildung zu dem Thema so angenehm und nebenbei wie möglich zu machen. Idealerweise findet man einen Video-Channel oder Podcast, den man ganz regelmäßig einfach hört und es sich so zur Gewohnheit macht, am Thema dranzubleiben.
ANISSAS BUCHEMPFEHLUNGEN
MIT FINANZEN STARTEN UND ALTERSVORSORGE BEGINNEN
Margarethe Honisch: Easy Money: Wie du deine Finanzen regelst, endlich vorsorgst und trotzdem gut lebst
Christiane von Hardenberg: Selbst investiert die Frau
Lisa Osada: Aktien-Life-Balance
GELD UND MUTTERSCHAFT
Birgit Happel: Auf Kosten der Mütter
GELD UND PARTNERSCHAFT
Beziehungsinvestor:innen: Love & Money
WORKBOOK
BRIGITTE: Finanzen Workbook
BRUNCH & CULTURE IN WIEN
Nächsten Samstag schon findet unser erster Brunch & Culture Event in Wien statt. Am 19. Oktober heißt es DAERE TO VIENNA - gemeinsam mit unserem Partner The Hoxton Vienna laden wir euch zu einem ausgedehnten Brunch im Hotel ein mit anschließendem Besuch im House of Auster, dem zeitgeistigen shoppable Apartment im Wiener Neubauviertel. Bewerbt euch noch bis heute, alle Infos findet ihr hier.
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THINGS I DIDN’T BUY THIS WEEK MIT JANINA
In
widmet sich eben genau dieser Herausforderung: Für dieses Jahr hat sie sich vorgenommen nur 5 Teile zu kaufen. Und was als Neujahrsvorsatz begann, mündete in einen Weekly Newsletter, in dem Kristina regelmäßig von ihren modischen Cravings erzählt und ihre persönlichen Fashion Vorbilder portraitiert.DIE REGELN
#Nr. 1 Im Jahr 2024 dürfen nur fünf Modeartikel gekauft werden, darunter auch Secondhand-Kleidung, auch wenn sie einen geringeren ökologischen Fußabdruck haben können als neue Stücke. Dies gilt nicht für Unterwäsche oder Socken, wohl aber für Accessoires wie Brillen und Schmuck. Auch Geschenke zählen.
#2 Das Ausleihen von Kleidung (z. B. für Hochzeiten) oder Tauschen ist möglich.
Wöchentlich berichtet die Mode-Liebhaberin von ihren Adrenalinschübe in Form von Kleidungsstücken, zu denen sie sich besonders hingezogen fühlt. Denn nur weil sie es aktuell nicht haben kann, heißt es nicht, dass sie unsere Aufmerksamkeit nicht wert sind.
Hier findet ihr einen Einblick in Janina’s Kleiderschrank.
RECAP: DAERE LUNCH CLUB - ART & CULTURE EDIT
Es ist nun schon ganze 5 Jahre her, dass wir DAERE gegründet haben. Und dennoch: jedes einzelne Event bleibt etwas ganz besonderes.
Unser letzter Lunch Club fand im Rahmen des Gallery Weekends statt. Geladen war eine intime Runde Frauen aus Kunst und Kultur. Danke an jede einzelne von euch sowie das Château Royal Berlin für den herrlichen Samstag!
Danke für das Feature 🫶 werde mich für Inspiration der nächsten Monate immer wieder an eure beiden Interviews halten 🍁👢